Bereits in der Vergangenheit wurde vom höchsten europäischen Gericht, dem EuGH, entschieden, dass Verbraucherschutzverbänden bei Verstößen rund um die Uhr grundsätzlich das Recht zusteht, abzumahnen und zu klagen. Jetzt geht es um eine weitere fortlaufende Entscheidung des EuGH und vor allem um die Frage, ob Verbraucherschutzverbände eine gewisse Autonomie haben und auch in Abwesenheit eines konkreten Auftrages wegen vermeintlicher Verstöße gegen die DSGVO abmahnen oder klagen dürfen. (Az. C-757/22). Der EuGH entschied nun: Verbände können Verbandsklage erheben, soweit eine solche Klagebefugnis in nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten vorgesehen ist.
Hintergrund der Entscheidung
Der Hintergrund der Entscheidung beläuft sich auf einen Beschluss, bei der die Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (VZBV) den Konzern Meta (früher Facebook) mit Sitz in Irland auf Unterlassung verklagte, da nach Ansicht der Verbraucherzentrale Meta gegen die DSGVO verstoßen hat mangels unterlassener Einwilligunsgserklärung der Nutzer bei der Verarbeitung ihrer Daten. Meta bot den Nutzern nämlich über ihre Plattform digitale Spiele von Drittanbietern an und übermittelte die Daten der Nutzer direkt an die Anbieter. Klickte der Nutzer also auf den Button “sofort spielen” wurden direkt die Daten übertragen. Eine Information über diese Datenübermittlung befand sich unterhalb des Buttons, den man anklicken sollte. Der VZBV klagte anschließend mangels der fehlenden Einwilligung, die nach der DSGVO ausdrücklich von den Nutzern eingeholt werden muss, damit die Daten rechtmäßig und DSGVO-konform eingeholt werden können. Eine weiterer Klagepunkt wurde durch eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer mittels einer AGB Kontrolle begründet.
Nationale Vorschriften im Widerspruch mit DSGVO? – Vorlagefrage beim EuGH
Der Fall des VZBV ist im Hinblick auf den Datenschutz sehr interessant, da der EuGH diesbezüglich zu entscheiden hatte, ob die DSGVO den nationalen Vorschriften eines Mitgliedstaates, welche ein Verbandsklagerecht gewährleisten, entgegensteht.
Es stellt sich diesbezüglich das Problem dar, ob nationale Vorschriften nicht eventuell DSGVO-Regelungen widersprechen könnten und in welchem Verhältnis diese zueinander stehen. Denn nach nationalem deutschem Recht ist es so, dass Verbände bei Verletzung des Datenschutzrechts auch dann das Recht haben zu klagen, wenn keine konkrete Rechtsverletzung einer einzelnen betroffenen Person vorliegt, geschweige denn gar kein konkretes Recht einzelner betroffener Personen verletzt worden ist, sowie hierzu auch kein Auftrag durch eine betroffene Person vorliegt.
Aktivlegitimation von Verbänden bei DSGVO-Verstößen
Wer ist bei der Verfolgung von DSGVO-Verstößen überhaupt aktiv legitimiert? In § 8 I und III UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) wird auf den jeweiligen aktiv legitimierten Kreis eingegangen, wenn diesen ein Anspruch zusteht (z.B. eine Unterlassung nach UWG). Dieser Anspruch könnte sich zum einen aus dem UWG ergeben. Dabei wird für eine unzulässige geschäftliche Handlung vorausgesetzt , dass eine geschäftliche Handlung vorliegt und diese Handlung unzulässig ist. Diese Handlung muss dabei absatzfördernd sein.
Kommen hier Verstöße gegen die DSGVO in Betracht? Das UWG enthält selbst kein Datenschutzrecht, welches einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch rechtfertigen könnte. Im Zuge dessen könnte man § 3a UWG anwenden. Dieser geht auf den Rechtsbruch ein: Dabei handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt.
Diese gesetzliche Vorschrift kann auch außerhalb des UWG zu finden sein, diese Norm muss aber eine Marktverhaltensregelung darstellen und im Sinne des § 3a UWG dazu bestimmt sein, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Die Anwendbarkeit der DSGVO
Fraglich ist dahingehend, ob die DSGVO als Marktverhaltensregelung klassifiziert werden kann. Die Meinungen sowohl diesbezüglich als auch die Schutzrichtungen der DSGVO sowie des UWG gehen auseinander. Die DSGVO schützt zum einen vor allem personenbezogene Daten. Das UWG hat seinen Schutzbereich vor allem dahingehend, um den Markt zu regeln. Eine andere Meinung vertritt, dass die DSGVO einen abschließenden Charakter hat. Zwar gehen die Meinungen auseinander, es lässt sich aber feststellen, dass § 3a UWG neben der DSGVO anwendbar ist. Der Verstoß gegen die DSGVO muss dabei jedoch Marktverhaltensregelungen enthalten.
Entscheidung des EuGH
Was entschied der EuGH? Nach einer neueren Entscheidung des EuGH ging es nun um die Auslegung des Art. 80 II DSGVO, der auf die Vertretung von betroffenen Personen eingeht. Dabei wurde vor allem das Verhältnis des Art. 80 II DSGVO und UWG, nach dem Verbraucherschutzverbände bei Rechtsbrüchen ebenfalls klagebefugt sind. Der Auffassung und Auslegung des EuGH zufolge sieht dieser in Art. 80 DSGVO vor, dass sich die Struktur entwickele, dass Verbandsklagen durchaus zulässig sind, wenn diese die allgemeinen und kollektiven Interessen von Verbrauchern verteidigen und mithin auch eine Verbesserung des Zugangs zu Justiziar Rechten durch Verbandsklagen der Betroffenen gewährleisten. In dem vorliegenden Fall wurde vom EuGH vor allem zu Art. 80 Abs. II DSGVO Referenz genommen, und nicht Abs. I, da der Abs. I eine konkrete Beauftragung der betroffenen Person vorsieht. Dort heißt es nämlich: “Die betroffene Person hat das Recht”. Das heißt, eine Beauftragung der Person muss gem. Abs. I vorliegen. Eine mögliche Klagebefugnis kann sich daher aus Art. 80 Abs. II DSGVO ergeben.
Der Art. 80 II DSGVO gibt dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Gestaltungsspielraum, von dem diese Gebrauch machen können. Dabei ist es den Mitgliedstaaten im Zuge einer Öffnungsklausel erlaubt, abweichende Regelungen von der DSGVO zu treffen. Der EuGH stellte nun in seiner Entscheidung am 28.04.2022 fest (Az. C-757/22), dass Verbände eine Verbandsklage erheben können, wenn eine Klagebefugnis in den nationalen Gesetzen vorgesehen ist.
Dabei wurde eruiert, dass die DSGVO keine abschließende Regelung treffe und die DSGVO den nationalen Regelungen aus dem UWG daher nicht entgegenstehe. Eine Klage der Verbraucherschutzverbände ist sodann auch zulässig, wenn kein konkreter Auftrag eines Verbrauchers vorliegt, und zwar dann, wenn die erhobene Verbandsklage dem Schutz der Kollektivinteressen von Verbrauchern dient. Zu beachten ist dabei aber, dass die nationalen Regelungen bestimmte Anforderungen an den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich stellen.
Relevanz und Fazit
Der EuGH stellte nun fest, dass Verbände eine Verbandsklage erheben können, wenn eine Klagebefugnis in den nationalen Gesetzen vorgesehen ist. Zudem entschied der EuGH, dass die DSGVO keine abschließende Regelung treffe und die DSGVO den nationalen Regelungen aus dem UWG daher nicht entgegenstehe. Jedoch müssen die nationalen Regelungen bestimmte Anforderungen an den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich stellen. Damit ist eine Klage der Verbraucherschutzverbände auch dann zulässig, wenn kein konkreter Auftrag eines Verbrauchers gegeben ist. Das nun ergangene Urteil stärkt insbesondere die Rechte der Verbraucher. Nun kann auch von Verbraucherverbänden, unter den konkreten oben genannten Voraussetzungen, eine Verbandsklage erhoben werden. Dies wird zur Klärung von Rechtsfragen führen.